Baal
Termine: 14./15./17./18. September 2001
 Liebe Schülerinnen und Schüler, Eltern, Kolleginnen und Kollegen, Freunde des "Kleinen Hauses",
es ist wieder soweit: Wir von K.U.S.S. möchten Sie alle mit diesem Schreiben zu unserem neuen Programm, Bertolt Brechts "Baal", herzlich einladen. Daß unser üblicher Frühsommertermin in diesem Jahr nicht eingehalten werden konnte und wir in den September ausgewichen sind, hat, um die zahlreichen besorgten Nachfragen zu beantworten, vor allem mit Brechts "Bühnenerstling" zu tun. 25 Szenen, 70 Rollen (und Kostüme), der Einsatz von "echter Musik", daneben synthetische "backgrounds", ununterbrochene Lichtwechsel, die permanente Veränderung des Bühnenbilds u.v.a.m. führten uns und führen uns an die Grenzen dessen, was in unserem "Kleinen Haus" überhaupt machbar ist. Den 22 Mitgliedern unseres Ensembles, Schauspielern, Musikern und Technikern und der "künstlerischen Leitung" wird wirklich "so ziemlich alles" abgefordert. Daneben war der Stoff des Stücks tatsächlich "gewöhnungsbedürftig", und die Annäherung an die Lebensgeschichte des sich herumtreibenden, "saufenden" und Frauen "verbrauchenden" Lyrikers Baal ging nur behutsam und langsam vonstatten. Aber das erste große Bühnenwerk Bertolt Brechts, das auch heute nichts von seinem "Zündstoff" verloren hat, interessierte uns; zudem kommt die offene Form des Werks der typischen Arbeitsweise von K.U.S.S. sehr entgegen. Und so haben wir uns auf dieses "Baal-Experiment" eingelassen, wohlwissend, daß wir mit unserer Inszenierung sicher die unterschiedlichsten Reaktionen im Publikum auslösen werden, um es vorsichtig zu formulieren.
Einer entzieht sich radikal allen allgemeingültigen ethischen und moralischen Normen, läßt sich von niemandem kaufen, treibt sich hauptsächlich beim "Auswurf der Gesellschaft" herum, bietet seine Lyrik im Austausch für Branntwein in Spelunken, Bordellen, Obdachlosenasylen dar. Sein einziges Interesse gilt dem reinen Genuß. Frauen interessieren ihn, "Fressen" und "Saufen". Seine Ziele kann er aber nur auf äußerst brutale und zynische Weise erreichen. Jegliche Bindung scheut er, Kinder fürchtet er; Frauen, die schwanger von ihm sind, rät er kalt, ins Wasser zu gehen. Den besten Freund Ekart, einem mit ihm vagabundierenden Komponisten, bringt er eifersüchtig um – dabei zeigt sich auch Baals homosexuelle Seite. Schließlich "verreckt" er – "rattengleich" – im Kreis der ihn hassenden Holzfäller. Andererseits aber verfügt dieser Baal über Fähigkeiten, die ihn weit über die ihn umgebende "gutbürgerliche" Gesellschaft hinausheben: So findet er als einziger in dem Stück noch unverstellten Zugang zu der zunehmender Zerstörung ausgesetzten Natur, die für ihn Schutz- und Rückzugsraum ist. Seine Sprache, seine Gedichte können in wunderbarer Weise poetisch sein. Sehr ausgeprägt bei ihm sind Intellekt und Sensibilität. Offenbar führt dies alles anderen Menschen gegenüber zu einer merkwürdigen Faszination, wie man besonders an den Frauen aus allen Gesellschaftsschichten sieht, die ihm reihenweise verfallen, die alles für ihn aufgeben, um schließlich als eine Weitere "verbraucht" zu enden. Diese wenigen und bruchstückartigen Hinweise lassen bereits erkennen, daß Brecht dem Publikum tatsächlich einiges zumutet. Doch bei aller Verstörung, welcher dieser Baal erzeugen mag: Das Werk enthält für den nachdenklichen Betrachter eine Reihe positiver Botschaften und ist hochaktuell. Neben der äußerst scharfen Kritik an der Gesellschaft des zwanzigsten (und einundzwanzigsten) Jahrhunderts, die nur noch an Kapital und Verwertbarkeit interessiert scheint, deren Hauptaugenmerk auf Spaß und Ablenkung von der eigenen inneren Leere liegt, die keinen natürlichen Zugang mehr zu den umgebenden Dingen findet, zeigt Brecht aber auch, daß ein individueller Weg zu einem selbstbestimmten und naturgemäßen Leben nur in der fundamental bösartigen, zynischen und brutalen Weise Baals möglich und somit in sinnvoller Weise nicht gangbar ist. Alleine, quasi "einzelkämpferisch" individuelles Glück anzustreben, scheint nur noch auf Baals negative Weise machbar, ist abzulehnen. Sicher wird der wirklich interessierte Zuschauer eine Reihe weiterer Dinge entdecken, die in diesem kurzen Überblick nicht angesprochen werden können.
Wir von K.U.S.S. sind sehr gespannt auf die Reaktionen des Publikums und können, gleich wie die Zuschauer zu "Baal" stehen, versprechen, daß es sicher niemandem langweilig werden wird.
Wir müssen abschließend darauf hinweisen, daß das Stück für Jugendliche bis zur neunten Jahrgangsstufe nicht geeignet ist.
Nochmals laden wir Sie herzlich ein, und wir hoffen, daß wir uns an einem der umseitig genannten Abende treffen.
Für K.U.S.S.: Joachim Berndt
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