Unschuldige gibt es nicht
Starkenburger Echo vom 19.09.2006
Kultur: Inszenierung zum Thema Mobbing an Schulen – Mutige Aufführung der Rimbacher MLS-Theatergruppe K.U.S.S.
RIMBACH. Mit dem Stück "Johannas Fest" hat die Rimbacher Schultheatergruppe K.U.S.S. viel Wind aufgewirbelt. Das Thema ist genauso brisant wie heikel: Mobbing an Schulen. Großen Aufruhr gab es bereits im Vorfeld. Überall klebten Plakate mit dem Titel "Johanna K. ist schwanger". Da gab es Beschwerden. Doch Schulleiter Hans-Jürgen Schmidt und der Urheber des Stücks, Joachim Berndt, hatten vorab recherchiert: Diesen Namen gibt es nicht an der Martin-Luther-Schule (MLS).
Aufs Glatteis hat sich die Truppe dennoch gewagt. Bei der ersten Vorführung am Freitagabend sorgte die Thematik für Gesprächsstoff. "Jeder kann zum Mobber werden. Ein bisschen Klatsch hier, dort ein bisschen die Gerüchteküche anfeuern. Es fängt harmlos an." Ulrike Krumb ist Vertrauenslehrerin an der MLS und freut sich über die Gespräche und Kommentare, die in der Pause zu hören waren: "Das Thema ist wichtig und gut. Ich finde es toll, dass Mobbing an Schulen auf diese Art und Weise thematisiert wird und die Besucher dafür sensibilisiert werden."
Die Art und Weise der Umsetzung war beeindruckend und erschreckend ehrlich. Von den kleinen Sticheleien bis hin zum großen Terror wurde alles gezeigt. Johanna, gespielt von Akina Ingold, musste einiges einstecken, weil sie als Neue an der Schule die Regeln nicht kennt. Sie kannte Mobbing schon an ihrer alten Schule. Die Lehrer sehen die Schülerin als Problemfall, weil das Mädchen die Schule wechselt, nachdem sie einen Selbstmordversuch unternommen hat. In der neuen Schule führen die Hauptrolle bei der Theateraufführung, gute Leistungen in Mathe und beim Debattierwettbewerb zur Missgunst der anderen Schüler. Die Mädels um Nicole und Elaine, gespielt von Charlotte Kühn und Lena Kruse, sind nicht gut zu sprechen auf die Neue – Zickenkrieg bricht aus.
Auch Daniel und Dominik finden: "Die braucht 'nen Dämpfer." Schnell ist eine Wette ausgetüftelt. Michi, der Weiberheld des Jahrgangs, soll sie flachlegen und dann fallen lassen. Lehrer Spalt, der Möchte-Gern-Kumpeltyp, konnte Johannas Probleme nicht für sich behalten und ermöglicht damit die neuen Intrigen. Anonyme Anrufe, Gerüchte über eine Schwangerschaft, eine Bestellung beim Pizzadienst auf ihren Namen – das alles war noch harmlos. Die Aktionen der Schüler werden härter, es muss zur Eskalation kommen.
Michi gewinnt seine Wette nur mit Gewalt, Johanna bricht erneut zusammen. Das Ende vom Lied ist Johannas Fest: Dabei zeigt sie den anderen, wie das ist, wenn man attackiert wird. Die große Rache lässt die Mitschüler vor Angst wimmern. Letztlich wollen sie Michis Leben opfern, doch Johanna bricht ihre Racheaktion ab.
Doch von Happy End kann nicht die Rede sein. Die Schuldigen kommen zwar mit dem Leben davon, aber sie haben Johannas auf dem Gewissen. Sie beschließt: "Es wird Zeit für mich zu gehen."
Alle Darsteller – darunter vier Ehemalige – haben ihre Rollen toll gemeistert. Ob Außenseiter oder Anführer – alle waren überzeugend. Berndt, Lehrer an der MLS, Verfasser des Stücks und Regisseur, hat die Inszenierung mit Filmsequenzen und Musik aufgelockert. Gelungen war auch das Bühnenbild mit Styroporklötzen im Hintergrund, auf die die Bilder projiziert wurden. Gleichzeitig dienten sie als Stühle und Tische. Mit viel Situationskomik hat Berndt das schwierige Thema aufgefrischt. Aber wirklich befreit hat zum Ende wohl keiner das "Kleine Haus" in der MLS verlassen. Zu realistisch war die Geschichte. Auch wer sich raushält und nichts tut, macht sich schuldig. Und Unschuldige gibt es nicht – dies war die starke Botschaft. Wenn diese bei allen Besuchern der ausverkauften Vorstellungen ankommt, hat die Truppe gute Arbeit geleistet.
Die MLS will es nicht nur bei Worten belassen, schon bald soll es eine extra Abteilung für Mobbingfälle geben. Auch wenn es an der MLS nicht so schlimm zugeht, wie die Schülerin Isabel Eberle betonte, und Berndt den Odenwald als Himmelreich sieht, so gibt es auch hier Fälle von Mobbing – wie überall eben. Marion Körner Quelle: www.echo-online.de/suedhessen/template_detail.php3?id=399234
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